Halbseitige Lähmung hält den Paralympiker Tim Celen nicht vom Radfahren ab: „Ich würde mich immer wieder für dieses Leben entscheiden“
Tims Lebensgeschichte beginnt nur einen Steinwurf von unserer Fabrik in Beringen entfernt. „Bei meiner Geburt erlitt ich eine Hirnblutung. Wir werden nie erfahren, ob das vorher oder nachher geschah, aber Tatsache ist, dass ich dadurch eine Lähmung auf der rechten Seite meines Körpers habe. Ich kann zwar Handlungen ausführen, habe aber weniger Gleichgewicht und leide an Spasmen. Erst nach einigen Monaten, als ich mir eine Lungenentzündung zugezogen hatte, stellten die Ärzte meine Lähmung fest.“
Der lebensfrohe und energiegeladene Tim wuchs in der Gemeinde Ham (im Weiler Genendijk) auf und erlebte eine sportliche Jugend. „Vor allem Fußball ist hier in der Familie verankert und mein Vater hat seine Liebe zu diesem Sport an mich weitergegeben. So kam ich zum G-Fußball und ab und zu machte ich auch Radtouren. Ich dachte nie daran, den Sport zu wechseln, bis Experten etwa mit 13 Jahren bemerkten, dass ich Talent hatte. Über G-Sport Vlaanderen kam ich zur Paracycling-Weltmeisterschaft, genauer gesagt in die T2-Kategorie. 2016 stand ich bereits mit nur 18 Jahren bei den Spielen in Rio! Bei den Spielen müssen wir übrigens mit den notwendigen Unterlagen zum Arzt, damit wir in die richtige Kategorie eingestuft werden. Ansonsten sagt man natürlich, was man will.“
Zeit während der Corona-Pause
Tims Karriere nahm während der Corona-Pause richtig Fahrt auf. „Plötzlich gab es viel Zeit, um zusätzliche Trainingskilometer zu sammeln. Zu dieser Zeit absolvierte ich die Ausbildung zum ‚Grafikdesigner‘ bei Syntra und studierte von zu Hause aus. Mit der richtigen Planung war es möglich, dies mit dem Radsport zu kombinieren. Es gab damals keine Wettkämpfe, also wusste ich nicht, wo ich stand. Die folgende Zeit war die beste meiner Karriere und brachte mich auf alle Kontinente der Welt.“
Silber und Bronze
In Tokio fuhr der Hammenaar Silber im Straßenrennen und Bronze im Zeitfahren. Das verschaffte ihm viel Aufmerksamkeit. „Ich durfte den König besuchen, den ich mittlerweile schon einige Male getroffen habe. Außerdem ehrte mich mein Lieblingsfußballverein KRC Genk, indem ich den Anstoß beim Heimspiel gegen Union geben durfte, was ich auch als eine großartige Erfahrung empfand!“
Auch sportlich machte Tim Fortschritte. „Seit den Spielen in Tokio haben sich meine Werte stetig verbessert. Ich begann die Zusammenarbeit mit Remko Meeusen, der zuvor bei Quick-Step gearbeitet und Alaphilippe betreut hatte. In wenigen Jahren trete ich jetzt noch 80 bis 90 Watt mehr als bei den Spielen. 70 % dieser Leistung hole ich aus meinem linken Bein, 30 % aus meinem rechten Bein. Mit Fitness versuche ich, dieses Gleichgewicht zu kontrollieren, auch wenn es natürlich nie ganz gleich sein wird.“
Paris 2024 geht Tim seit drei Jahren durch den Kopf. „Ich habe ein ideales Jahr ohne Verletzungen und habe viel Vertrauen bei der Weltmeisterschaft gewonnen. In meiner Trophäenwand fehlt noch eine Medaille, daher ist es kein Geheimnis, dass ich voll auf Gold gehe. Zunächst konzentriere ich mich auf das Straßenrennen, im Zeitfahren werde ich mich sicher auch mit dem Podium zufrieden geben. Fakt ist, dass es in Tokio einen Anstieg von 4 Kilometern gab, was mir nicht liegt. In Belgien kann man diese Strecke bergauf auch schwer simulieren. Jetzt geht es um kürzere Anstiege. Darauf kann ich mich mit gezieltem Training in Valkenburg oder Houffalize vorbereiten.“
Über Tims Eddy Merckx 525
Spezielle Kurventechnik
Wer Tim vorbeifahren sieht, ist sofort beeindruckt von der hohen Geschwindigkeit, die er mit seinem Dreirad erreicht. „Der Unterschied zu einem Zweirad liegt vor allem in den Kurven, in denen wir uns wirklich neigen müssen, um das Gleichgewicht zu halten. Als meine Mutter das einmal ausprobierte, fuhr sie direkt in die Hecke (lacht). Ich fahre schon seit meiner Kindheit im Campingbereich auf diese Weise, wo ich dann oft unter den Wohnwagen hindurchfuhr. So habe ich mich daran gewöhnt und das Kurvenfahren liegt mir gut.“